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14Magazin

IMG_20150718_190342Drei rasende Reporterinnen aus den Reihen des 14 Magazins geben sich die Ehre programmatischer Unentschlossenheit  und zücken Notizblöcke und Leuchtkulis beim zwischen/wege Festival. Die Banner verkünden: Kompromiss – definitiv vielleicht ! Eine Ansage, um sie gleich wieder über Bord zu werfen. Wir springen hinterher, Hals über Kopf.

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Müde in Manchester.

Der erste Abend der zwischenwege geht zu Ende, und bei YES I’M VERY TIRED NOW sind alle ein bisschen —

Öh, voll 80er halt. – Man wende ein Ohr der Menge zu, die ihrerseits den Darbietern von YES I’M VERY TIRED NOW aus St. Gallen lauscht. Die sind namentlich so ausschweifend, dass sie allein schon die komplizierte Abkürzung YIMVTN bemühen. YIMVTN sollte dem engagierten Publikum dann bald beiläufig über die Lippen gehen, und auch jetzt schon: Die O-Ton Kollekte erweist sich als sehr aufschlussreich, sieht man von dem leicht abschätzigen Tonfall mal ab – 80er halt. Ja, da ist das irgendwo Industrielle, (was wohl auch mit den vielmals entschuldigten Technikquerelen zusammenhängt), die klickernden Soundfetzen, die an abgerissene UKW Wellen denken lassen (auf rein unphysikalisch assoziative Weise). Alles handgemachte DIY-Improvisation, ob gewollt oder nicht, höchst charmant, diese Störgeräusche, ein bisschen Manchester.

Ein Mädchen wartet mit einem neuen Vergleich auf: Kennst du The XX, t h e X X ? Auch das, naheliegend: Währenddessen bereiten anschmiegsame Synthie-Klänge ein wohliges Bett für ausgelassene Gitarrenpassagen und einen Gesang, der spätestens in Paarung mit der akustischen Version des schwelgenden Common Worldin seiner breit angelegten Brüchigkeit teilweise an Matt Berninger (The National) denken lässt (weil referentielles fremdfischen von Seiten der Autorin irgendwann auch echt schäbig ist). So singt Marc Frischknecht in elegischer Inbrunst vom Anfang, vom Ende, vom wie es halt so ist und wie es auch irgendwann bleiben darf, und performt simultan das prickelnde Zusammen von Text und Musik in ordnenden Bewegungen aus. Darunter der Bass, der tapfer weiter brettert, – daher also die Müdigkeit? Keine Spur, das kritische Publikum vergisst seine Voreingenommenheit und tanzt die Vergeblichkeit, haucht ein laues uuuuhuuu in die Lagerfeuer/Diskokugel Romantik hinaus, feiert das postindustrielle Dasein nach der Arbeit, vor dem Schlafengehen.

Schön ist das. Und alles passt ganz wunderbar. Auch die Züge, die in denkwürdigen Abständen vorbeirauschen, unaufhaltsam, schrecklich pünktlich, beschwören düstere Schauer, die den Besuchern mahnend den Rücken streicheln. Selbst sie fügen sich ein in das Klangbild, irgendwie. Dabei haben sie offensichtlich vergessen: morgen ist Samstag – Der Verdienst des Abends, neben Kunst und Kultur und atemlosen Danksagungen : dem Maschinellen ein Schnippchen geschlagen zu haben ! HA!

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Frühstückswerkstatt

Text: Felix Schiller

Zögerlich
Liebe Medellin,

ich weiß nicht, wieso ich wieder gezögert habe, die Zeit habe vergehen lassen bis zu diesem Punkt, an dem man erklären muss, was man eigentlich angestellt hat, anstelle zu schreiben. Es ist dieses Zaudern, das sich an alles schmiegt, was unsicher erscheint. Erinnerst du dich, als wir uns das letzte Mal verabschiedeten, du schon die Hand auf dem Sattel, den Zweifel in der Braue, und ich, kurz davor, dich doch noch zu drücken, mit den Schultern bereits vorab. Aber die Beine, die Beine hatten sich in ein Fundament gegossen und waren über die Venen direkt mit dem Grübeln verbunden …

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Frühstückswerkstatt

Text Laura Bärtle

Sinnlos lassen
Vielleicht auch die Bedeutung weglassen
und ohne in den Spiegel zu sehen
mit Scheuklappen über die Straße rennen
Küsse deinen Schatten auf den Hinterkopf
der nach nassem Asphalt riecht

Loslassen
das Seil um den Hals hassen
und Kompromiss – das Fenster kippen
weder auf noch zu
Türen anlehnen, nur halb abschließen
mitten auf der Straße stehen bleiben?

Lassen
Einfach zulassen
die Tür zu lassen?
Aufreißen und rausschreien
oder einschließen und gegen die Fensterscheibe flüstern?
Kompromissloslassen…

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Lukas Jüliger, Autor von VAKUUM, beantwortet beiläufige Fragen:

Folgende Situation, du willst ein Eis und deine Lieblingssorte ist aus. Entscheidest du dich um? Was tust du?
Lukas: Ich bin Veganer, ich esse kaum Eis und Fruchteis mag ich eigentlich auch nicht so.

Ein prägendes Erlebnis aus deiner Kindheit?
Ich hatte mal eine tiefe Schürfwunde am Schienbein, von einem Nagel. Das war cool.
Eine meiner frühesten Erinnerung ist, wie ich rückwärts in einen Putzeimer falle.

Was ist dein heutiges Lieblingstattoo?
Die Katze mit dem Trichter um den Kopf, aber das ist eigentlich immer so.

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Frühstückswerkstatt
Text: Lukas Damian Kersten

Pneumonia

Herauswärts; dreinbrechend,
stets wiederkehrend; ohne Erlösung,
nach Flucht heischend,
in Erinnerung suchend,
ob Halt
ob Grenze
ob immerwährender – Nein.
Unbehagen radikal,
zum alleinigen Empfinden heraufgesetzt,
die Begegnung mit dem Gegenüber
heim ins Negative geschätzt.
Zum Scheitern verurteilter Kompromiss,
da die eigene Sphäre
unrettbar verschroben ist.
Gebunden, enthoben und
dem andern intrinsisch verwehrt,
im Hier und Jetzt ins Gegenteil verkehrt,
durch Hindernisse – a priori – vergiftet,
diese, durch Gesellschaft – eingedrückt.
diese durch Gesellschaft – eingedrückt.

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Nein, nicht Friedrich. Felix !

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Wert und Selbstwert – Lilian Loke liest aus Gold in den Straßen

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– – – „Thomas, verdammter Goldjunge –“

Der Held ist ein Immobilienmakler, das Genre ein Wirtschaftsroman, Professionalität Programm. (Autorin und Gesprächsleiter bewegen sich behände auf dem Parkett von Wörtern wie Sozietät.) Die Geschichte eine Universale vom Wollen, mehr Wollen und nicht mehr Wollen Wollen. Der Kitt zwischen Geschäft und Beziehungen im Protagonisten: Seelenfang. Kundenkontakt ist ihm emotionaler Stabilisator. Das muss einem jetzt nicht unbedingt sympathisch sein, meint Loke. Schätzungen von Wert im Eigenen und im Fremden.

– – – „Neid ist eine Kompassnadel, ein goldener Regler.“

Die Welt: eine schöne, neue. Der Maßanzüge, der Kunstsammler, der Uhrenmachtgefälle, der Schuhputzer, der Abendessen mit portugiesischen Namen, alles smart-casual, alles ökonomisch unantastbar.

 – – – „Denk an Honig, an Sirup, an Treibsand.“

Milk and Honey, also. Die üblichen Versprechen. Goldnuggets und Schabernack der höheren Klassen. Und wenn aus den Aspirationen Zufriedenheit, dann Langeweile wird? Dann ist es auch immer das System, über das sich schreiben lässt.

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Oh Baby, die Gedanken sind frei.

Jonathan Löffelbein. Ein Pseudonym, das die Freiburger Kulturlandschaft schon seit einiger Zeit aufmischt. Poetry Slam, Sprechtheater, ein Roman, nun noch das: ein dramatischer Text. Der Raum ist voll, das Mikrofon will erst nicht, aber dann steht Hobbes die Bühne. Und schnell geht es ab auf die Meta-Ebene. Es geht um den letzten Satz. Das Ende. Eigentlich ist ja alles fast fertig, aber der letzte Satz, der passt noch nicht.

Also schraubt der Schriftsteller – genauer gesagt die drei Schriftsteller – daran herum. Immer wieder verändern, aber es wird und wird nicht fertig. Fünf Wochen lang fast fertig, aber der Punkt kommt nicht. Ist das Kompromisslosigkeit?

Die/den Autoren plagen typische Schriftstellerprobleme, seine Arbeit wird von seiner Frau nicht gewertschätzt und der Alkohol (erst Bier, dann Schnaps) hilft nur mäßig. Er soll fertig werden, klar, das wäre er doch auch schon längst, wenn ihn nicht seine Frau unterbrechen würde. Das ist dann auch das Thema des Stücks, das nicht fertig werden will: Ein Schriftsteller, der von seiner Frau bis in den Suizid getrieben wird.  IMG_20150718_185615

Aber überhaupt: Schriftsteller! Schreiben ständig über Schriftsteller, kennen kein anderes Thema, als sich und ihresgleichen. Monologe über Monologe. Der Endmonolog selbst ist dann auch etwas kürzer als eigentlich vorgesehen, verrät Monsieur Löffelbein später. Eine seltsame Erfahrung für ihn, seinen Text inszeniert zu sehen, aber definitiv sehr positiv.

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